Der Teltowkanal - ein Jahrhundertbauwerk

Mit einem Kuriosum, welches niemand so richtig erklären kann, fängt es schon mal an: beim Teltowkanal ist das Ende der Anfang. Sein Wasser kommt aus der Dahme, er fließt von Ost nach West und er mündet an der Glienicker Lake in die Havel. Die offizielle Kilometrierung auf den Schifffahrtskarten hingegen wird von West nach Ost gezählt; hinter dem Maschinenhaus am Schlosspark Babelsberg beginnt Kilometer TeK - der offizielle Wasserstraßenname - 00,00 und endet nahe der Grünauer Regattastrecke bei Kilometer TeK km 37,83.

 

Ein sehr großer Teil des Kanals, bis auf einen etwas längeren Abschnitt hinter dem Tempelhofer Hafen Richtung Neukölln, lässt sich zu Fuß erkunden. Teil I und Teil II widmen sich dem Nordufer des Kanals von Steglitz bis zur Mündung. Die Teile III und IV werden dem Südufer von der Mündung nach Steglitz folgen. Mit Schleifen - denn rechts und links des Weges gibt es viel zu entdecken - ist jede Tour ca. 10km und natürlich kann man alle Teile beliebig kombinieren. Zukünftige Beschreibungen werden dann dem Verlauf von Steglitz bis zur Dahme folgen.  

Der Vater des Kanals – Ernst von Stubenrauch

Verdanken tun wir den Teltowkanal Ernst von Stubenrauch, Landrat des Kreises Teltow von 1885 – 1908. Erste Pläne hatte es zwar bereits unter seinem Vorgänger Prinz Handjery gegeben, diese wurden aber von der Preußischen Verwaltung nicht angenommen. Kleine Notiz am Rande – die umlaufenden Straßenzüge – ein hufeisenförmiger Bogen - der sogenannten Carstenn Figur in Friedenau, urprünglich Promenade genannt, wurden nach Handjery und Stubenrauch benannt.    

 

Zurück zu Stubenrauch; dieser brachte es fertig, die - wie er sagte - „Hydra der Instanzen“ zu bezwingen und alle Genehmigungen zum Bau des Kanals zu erhalten. Stubenrauch war energiegeladen, durchsetzungsstark, weitsichtig, wenn nötig konfliktbereit, und ein vehementer Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung. Aus dieser Überzeugung heraus ließ er den Teltowkanal komplett aus Finanzmitteln des Kreises bezahlen, denn ihm war klar wie enorm die soziale und wirtschaftliche Bedeutung des Teltowkanals werden würde. Als „Vorfluter“ der südlichen Berliner Bezirke und der wachsenden Vorstädte schaffte er die hygienischen Voraussetzungen für deren weitere bauliche Verdichtung. Industriebetriebe siedelten sich an, Häfen wurden gebaut. Der Bauboom, von dem Berlin und seine Vororte erfasst wurden, wäre ohne Transport von Baumaterialien auf dem Teltowkanal kaum möglich gewesen.

 

Der Vater des Teltowkanals war aber nicht nur visionär in Bezug auf die Wasserstraße. Er ließ das Straßennetz in seinem Landkreis ausbauen, die Grunewaldstraße in Schöneberg u.a. geht auf ihn zurück, damit schlechte Wegeverhältnisse die Wilmersdorfer Bauern nicht daran hindern könnten,  ihre Milch nach Berlin zu bringen. Er hob aber auch die Straßenzölle auf und baute ein Sozial- und Gesundheitssystem einschließlich des Baus von Kreiskrankenhäusern auf. Stubenrauch war es ebenfalls, der im Wannsee das erste Mal einen Badebetrieb erlaubte – eine Idee der sogenannten  Volksgesundheitsbewegung. Dem seinem Monarchen tief ergebenen Mann verdanken wir auch den Grunewaldturm – gut zu erreichen im Rahmen einer Wanderung auf dem Havelhöhenweg.

 

Feierliche Eröffnung des Kanals war am 2. Juni 1906 - bei strömendem Regen, was für eine Wasserstrasse ja nicht unbedingt ein schlechtes Omen sein muss. Kaiser Wilhelm II mitsamt der kaiserlichen Familie und Teilen des Hofstaats übergab den Kanal seiner Nutzung. Mit der kaiserlichen Yacht Alexandria befuhr die erlauchte Gesellschaft vom Griebnitzsee kommend den Kanal und langte gegen Mittag an der Schleuse Kleinmachnow an. Damit war der Bau eröffnet. Auch Wilhelm II. bewies jenen Weitblick Stubenrauchs, als er dem Teltowkanal eine Bedeutung zumaß, die „weit über das Gebiet des nächstbeteiligten Kreises hinausragt“.

 

Im Jahr 1900 adelte Wilhelm II bereits seinen „Vorzeigelandrat“, im Januar 1908 wurde Stubenrauch Polizeipräsident von Berlin – eine Position, die den zielstrebigen und unbürokratischen Mann nicht glücklich machte; er fühlte sich überflüssig. Im Herbst 1908 wurde Stubenrauch unheilbar krank und starb am 4. September 1909 an Kehlkopfkrebs.

Ein Jahrhundertbauwerk und seine Entstehung

Für den westlichen Kanalteil wurde zu großen Teilen das Bett des Bäkefließes genutzt. Die Bäke, die ursprünglich Telte hieß, entspringt am Fichtenberg in Steglitz und mündet heute am Bäkepark in Steglitz in den Teltowkanal. Vor dem Bau des Kanals hatte die Bäke eine weitaus größere Fließlänge – sie nahm die Wasser der südwestlichen Berliner Randgebiete und der angrenzenden brandenburgischen Region auf, mäanderte vom Fichtenberg zum Birkbusch, durch Lichterfelde sowie den Teltow- und den Schönowsee, verlief nördlich des Machnower Sees und mündete am Griebnitzsee schließlich in die Havel. Vorbei - einmal wird sie uns später noch wieder begegnen, und auch da kommt sie aus dem Rinnsal-Status nicht mehr heraus. Die Lanke, welche Lankwitz den Namen gab und am Birkbusch in die Bäke mündete, diente den Ingenieuren gleichfalls als Bett für den Kanal.

 

Der Kanal brachte eine Wegeverkürzung beim Verkehr zwischen Elbe und Oder von rund 16 Kilometern und entlastete den regen und zeitaufwendigen Schiffsverkehr im Zentrum Berlins. Über 2.500 Arbeiter waren gleichzeitig am Bau beschäftigt, knapp die Hälfte wurde in Kroatien, Galizien, Russland und Italien angeworben. Während die italienischen und deutschen Arbeiter größtenteils als Maurer, Steinmetze oder Zimmerleute tätig waren und entsprechend „fair“ bezahlt wurden, mussten die Arbeiter der anderen Nationalitäten weitaus schwerere körperliche Arbeiten durchführen. Viele verließen nach kurzer Zeit die Baustelle wieder. Insgesamt sollen knapp 10.000 Menschen am Bau des Kanals beteiligt gewesen sein.    

  
Bauarbeiter und Ingenieure wurden - wider Erwarten - teilweise vor große Probleme gestellt, da besonders im Raum Lichterfelde der Baugrund sehr schlecht war. Konnte der Kanalabschnitt von der Dameeinmündung bis zum 'Britzer Zweigkanal' in kurzer Zeit vollendet werden, da der Baugrund sehr einheitlich und stabil war, waren im Zuge des Bäkebettes tiefgehende Torflinsen zu meistern. Der Kanal wurde zwar im Juni 1906 eröffnet, der endgültige Durchstich zwischen den beiden Kanalteilen, die vom Griebnitzsee und vom Britzer Zweigkanal kommend, vorangetrieben wurden, konnte aber erst im Dezember 1906 nahe der jetzigen Emil-Schulz-Brücke vollzogen werden. Die endgültige Freigabe für den durchgehenden Schiffsverkehr erfolgte dann im Sommer 1907.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Mauerbau und der Teilung Berlins markierte der Teltowkanal die deutsch-deutsche Grenze. Sie verlief schwer durchschaubar zum Teil genau in der Mitte der Wasserstraße, andere Abschnitte des Kanals lagen dagegen entweder in ganzer Breite auf dem Gebiet der DDR oder West-Berlins. Ketten und Gitter, die quer über das Wasser gespannt waren, versperrten den Weg. Für die Schifffahrt gab es kein Durchkommen mehr. Mehrmals versuchten DDR-Bürger, die Wasserbarriere schwimmend zu überwinden. Einige von ihnen starben im Kugelhagel der Grenzsoldaten oder ertranken. Während der Mauerzeit war der Teltowkanal an seinem Beginn, im Bezirk Köpenick, gesperrt. Bis Anfang der 1980er Jahre war auch der Schiffsverkehr auf der Westseite, von der Havel kommend, nicht möglich. Durch eine Grenzsperreinrichtung floss nur sehr wenig Wasser von der Spree direkt in den Kanal, so dass er fast versandete. Mit der Wiedereröffnung der „Machnower Schleuse“ 1981 wurde von der DDR nahe Kohlhasenbrück ein vom Berliner Senat mit 70 Millionen DM bezahlter Grenzkontrollpunkt eingerichtet. Der Kanal war so in seinem westlichen Teil wieder befahrbar. Seit der Wiedervereinigung wurde der Kanal saniert und auch der östliche Beginn des Kanals wieder schiffbar gemacht.


Inzwischen verbindet der Teltowkanal wie in alten Zeiten Potsdam, Berlin und Köpenick, aber auch zwei Bundesländer miteinander. Er mobilisiert Bürger der anliegenden Gemeinden, sich für den Erhalt seiner Auen und Ufer einzusetzen, beschäftigt Bauingenieure und Wasserbauer und ist auf diese Weise erneut zu einer Herzensangelegenheit für die Region geworden. An seinen Ufern warten Geschichte und Geschichten auf uns und, auch wenn ein größerer Teil nicht in Berlin liegt, gehört er doch so sehr zu Berlin wie sein berühmterer, weil innerstädtischer Bruder, der Landwehrkanal.

 

Der Teltowkanal von Steglitz bis zur Mündung - circa 20 km. Teil I von Steglitz bis Machnower See - hier, Teil II vom Machnower See bis Glienicker Lake - hier, Teil III von der Glienicker Lake bis zum Machnower See - hier. Festes Schuhwerk empfohlen.   

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