Mendelssohn Remise

 

Die Mendelssohn Remise befindet sich im ehemaligen Kutschenhaus der Privatbank Mendelssohn in der Jägerstrasse und zeigt in einer kleinen aber feinen Schau die Geschichte einer der bedeutendsten Berliner Familien, die enormen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Einfluss auf das Leben in Berlin und in Deutschland hatte.

 

Mit der Ankunft Moses Mendelssohns, der 1743 nach Berlin kommt, seinem Lehrer Rabbi Fränkel folgend, der 1743 zum Oberrabbiner von Berlin berufen wird, beginnt diese Geschichte. Moses kommt als Bettelstudent in die Stadt, der neben dem Talmud Deutsch, Latein, Französisch, Englisch und Philosophie studiert bzw. sich damit beschäftigt und selbst beibringt. Neben Locke gilt sein Interesse vor allem Leibniz und dem heute einer breiten Öffentlichkeit nicht mehr bekannten Christian Wolff; dem Mann, dem Preußen einen maßgeblichen Teil seiner Gesetzgebung verdankt.

 

Mendelssohn war einer der Wegbereiter der Haskala, der jüdischen Aufklärung, wurde aber durch die Gesetze der Zeit in einen Brotberuf als Seidenhändler gezwungen. Mit seiner Frau Fromet Guggenheim, einer Nachfahrin des berühmten Wiener Hofbankiers Samuel Oppenheim, hatte er zehn Kinder, von denen sechs überlebten. Darunter Joseph und Abraham Mendelssohn, die eine Zeit lang gemeinsam das 1795 von Joseph gegründete Bankhaus leiteten. Und die Tochter Brendel, die nach Scheidung ihrer ersten Ehe den Vornamen Dorothea annimmt, in wilder Ehe mit Friedrich Schlegel zusammenlebt, 1804 zum Christentum übertritt – eine emanzipierte, hochgebildete Frau.  

 

Abraham, der Vater von Fanny und Felix Mendelssohn-Bartholdy, konvertiert 1822 zum christlichen Glauben und trägt ab diesem Datum den Namenszusatz Bartholdy; alle Kinder wurden aber von Geburt an christlich erzogen. Der Glaubensübertritt dieses Zweigs der Familie rettet ihnen im Dritten Reich das Leben, denn nach den irren Regeln des Ariernachweises gelten sie nicht mehr als Juden.

 

Während Felix sein Talent nutzen und ausleben darf wird Fanny eine Karriere als Musikerin von der Familie weitestgehend untersagt. Die Mendelssohn-Bartholdy wohnen seit 1821 in der Leipziger Straße 3, im von ihnen umgebauten ehemaligen Reckschen Palais. Und hier, im Rahmen der von ihr und Felix im privaten Hause gegebenen Sonntagskonzerte, im Gartensaal des Palais darf sie ihr Talent als Pianistin und Komponistin ausleben. Zu den Gästen zählen unter anderem Clara und Robert Schumann, Franz Liszt und Henriette Sonntag.  

 

Während die Leipziger Straße ein Zentrum der Geistesgrößen ihrer Zeit wird und im Gartensaal Hochkultur zelebriert wird, ist der Salon in der Jägerstraße nicht ganz so weltläufig.  Die Rivalität um die Bedeutung ist in den Zweigen groß, aber beide Familien und ihre Häuser bilden lebendige Mittelpunkte des Berliner Gesellschaftslebens. Das Palais an der Leipziger Straße wird ab 1851 Sitz des Preußischen Herrenhauses; heute befindet sich an dieser Stelle der Sitz des Bundesrates in Berlin.

 

Ab der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts ist das Bankhaus Mendelssohn eine wichtige Säule des preußischen Finanzwesens, zeitweise sogar die bedeutendste Privatbank Berlins. Mendelssohns finanzieren unter anderem die Expeditionen Alexander von Humboldts, der auch privat ein Freund der Familie wird. 1815 bezieht die Bank ihren Hauptsitz in der Jägerstraße 51, später kommen die Liegenschaften #52 und #49-50 hinzu. Abrahams Sohn Paul steigt 1833 in die Familienbank ein und versteht es durch Diversifizierung und enge Kontakte ins Ausland die Bank unabhängig von lokalen oder regionalen Krisen zu machen.

 

Den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegszeit überlebt das Bankhaus relativ unbeschadet, auch die schwierigen 1920er Jahre und die Weltwirtschaftskrise. Die Nationalsozialisten überleben viele von ihnen und ihr Bankhaus allerdings nicht. 1938 liquidieren die Nationalsozialisten das Unternehmen und schlagen es der Deutschen Bank zu.

 

Besonders berührt hat mich die Tatsache, dass Paul Mendelssohn-Bartholdy d.J., Direktor der Agfa, die später in die IG Farben überging, wie wohl viele andere, unbewusst an seinem Untergang mitwirkte. Die IG Farben war der größte industrielle Einzelspender Hitlers, die Spendensumme von 400.000 Reichsmark wurde zugesagt am Tag nach dem Reichstagsbrand. Im IG Farben Nebenlager in Auschwitz liessen bis zu 25.000 Menschen ihr Leben. Und eine Nebenbeteiligung der IG stellte das Zyklon B her, welches die Nationalsozialisten für den industriellen Massenmord in Auschwitz und Birkenau nutzten. Wie grausam können Zeitläufte und Schicksal sein? Auch, wenn Paul es noch rechtzeitig ins Exil in die Schweiz schaffte.                

 

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Bankgebäude schwer beschädigt, in der Nachkriegszeit erfolgten massive Umbauten, kurzfristig zieht unter anderem die DEFA in das Gebäude ein. Danach befindet sich unter anderem eine KFZ-Werkstatt im Gebäude. Erst 1998 erhalten die Erben der Mendelssohns das Stammhaus zurück.

 

In der Remise kann man seit 2006 viel über diese außergewöhnliche Familie erfahren. Über ihre Bedeutung für Berlin aber auch für das Selbstverständnis der Juden in Deutschland. Neben Berichten auf Schautafeln und anhand von Objekten erzählt, stellt die Ausstellung auch Freunde und Bekannte der Mendelssohns wie Alexander von Humboldt und den Bildhauer Christian Daniel Rauch vor. Historische Gemälde erinnern an die Kunstförderung der Mendelssohns. Sie zeigen Porträts der Familienmitglieder, aber auch bekannte kunsthistorische Motive. Zusätzlich zur Hauptsammlung gibt es im Vorraum eine kleine Medienstation. Hier berichten die Nachfahren der Mendelssohns über ihr Leben.

 

Regelmäßig finden zudem Konzerte und Lesungen statt; ab Januar auch wieder an zehn Terminen Donnerstag um 13:00 in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Hanns Eisler. 

 

Wer weitere Spuren der Mendelssohns in Berlin sucht, die Villa Oppenheim gehörte einst einem Teil der Familie und dient heute dem Museum Charlottenburg-Wilmersdorf als Zuhause. Der Dorothea-Schlegel Platz am S-Bahnhof Friedrichstraße erinnert an diese ungewöhnliche Frau, die Musikschule Fanny Hensel unterstützt die Entfaltung eines vertieften Kunstverständnisses. Der Platz vor dem Jüdischen Museum ist nach Moses und Fromet Mendelssohn benannt und nach Moses ein Gymnasium. Felix Mendelssohn-Bartholdy gibt einer Station der U2 den wohlklingenden Namen Mendelssohn-Bartholdy-Park und ist Namensgeber einer Straße im Prenzlauer Berg. Und schlußendlich - viele Familienmitglieder liegen auf den Friedhöfen vor dem Halleschen Tor begraben. In der ehemaligen Kappelle des Friedhof I der Dreifaltigkeitsgemeinde befindet sich zudem eine kleine Daueraustellung über die Familie Mendelssohn.

 

Jägerstrasse 51  – Mitte / 030 817 04726 / täglich 12:00- 18:00 - Sonderöffnungszeiten aufgrund von Veranstaltungen/ www.mendelssohn-gesellschaft.de/gesellschaft/ausstellung  / U2 - U6 Stadtmitte -  Bus M48 Leipziger StraßeXStadtmitte

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