Enthüllt.Berlin und seine Denkmäler

Es sind zu viele Klischees, die es über Spandau gibt; Tatsache ist, ohne Spandau und die Zitadelle hätte sich die Doppelstadt Cölln–Berlin nicht zu dem entwickeln können, was es wurde. Der Juliusturm ist das älteste Gebäude der Stadt - seit der Eingemeindung 1920 – denn Spandau wurde lange vor Berlin gegründet. Wer von Westen nach Berlin wollte, feindliche Truppen zum Beispiel, der kam über Spandau und wurde dort oft genug aufgehalten oder sogar zur Umkehr gezwungen. Spandau hielt Berlin sozusagen den Rücken frei und war lange Zeit die mächtigere und reichere Stadt. Die Zitadelle hielt aber nicht nur äußere Feinde ab, auch innere durften ihre Bekanntschaft machen, z.B. in Ungnade gefallene Minister wie Danckelmann, oder Militärs wie Bonaventura von Rauch oder Vormärzler wie „Turnvater“ Jahn.  

 

Vergangene Zeiten. Die Zitadelle ist eine der besterhaltensten Renaissance Festungen Europas und heutzutage lohnt sich ein Besuch aus ganz unterschiedlichen Gründen. Neben der sehenswerten Festung an sich, befinden sich hier mehrere Museen und Ausstellungen, unter anderem das Stadtgeschichtliche Museum Spandau mit einem Überblick über die Entwicklung der Stadt – von der Garnison über den Industriestandort Siemens & Halske bis in die Neuzeit - eine Ausstellung zu Burg und Zitadelle und ein Museum, welches mir ganz besonders gefallen hat: „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“.

 

Die Schau vermittelt deutsche Geschichte anhand von Originaldenkmälern, die einst das Stadtbild Berlins prägten, aber teilweise daraus entfernt wurden oder heute nur noch als Replika im Stadtraum zu sehen sind und stellt und erklärt sie aus und in ihrem historischen Kontext.

Darunter die Generalsdenkmäler auf dem – vom Stadtplan verschwundenen – Wilhelmplatz. Friedrich II. war der erste Monarch Europas, der seinen Generälen Denkmäler setzen ließ. Ein Privileg, welches zuvor nur Mitgliedern der Herrscherhäuser zuteil geworden war. Oder das Nationaldenkmal auf dem Kreuzberg, von Schinkel entworfen, mit seinen zwölf Standbildern, die die siegreichen Schlachten der Befreiungskriege darstellen, erschaffen von Daniel Rauch, Friedrich Tieck und Ludwig Wichmann; ein erstes Denkmal gewidmet allen Deutschen.         

 

Oder die Denkmäler für Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise. Auf Initiative der Bürger der Stadt Berlin errichtet - im vormärzlichen Geist als Ausdruck neuen bürgerlichen Selbstbewusstseins.   

 

Oder der „Zehnkämpfer“ von Arno Breker, die Plastik, die Breker zum Durchbruch verhalf und ihm  zum führenden Bildhauer der NS Zeit machte. Oder einige Denkmäler aus Ost-Berlin, die nach der Wiedervereinigung nicht mehr ins – ideologische – Stadtbild passten. 

 

Viele sehenswerte Objekte befinden sich im ehemaligen Proviantmagazin der Zitadelle und warten darauf „wieder“ entdeckt zu werden. 

 

Mittel- und Höhepunkt der Ausstellung sind aber sicherlich die Ensembles der ehemaligen Siegesallee im Tiergarten mit ihren 32 Standbildern aller Markgrafen und Kurfürsten Brandenburgs, aller Preußischen Könige und des ersten Deutschen Kaisers. Zwei ergänzende Gruppen für den 99 Tage Kaiser Friedrich III. und die Kaiserin befanden sich am Brandenburger Tor.  

 

Die Siegesallee war ein Projekt Wilhelms II. und entstand zwischen 1895 und 1901. Die künstlerische Leitung hatte Reinhold Begas. Der Historiker und Präsident des Preußischen Geheimen Staatsarchivs Reinhold Koser kümmerte sich um die inhaltliche Ausrichtung. Angelegt wurde sie im Tiergarten,   beginnend am Kemperplatz – heute die Einfahrt des Tiergartentunnels – und endete am Königsplatz – heute Platz der Republik – vor dem Reichstag. 750 Meter war sie lang und kostete 1,6M Mark (kaufkraftbereinigt heute etwa 11M EUR).

 

Die Künstler, die sich beteiligen wollten, mussten zwei Kriterien erfüllen: ein Atelier in Berlin haben und den Geschmack des Kaisers treffen, also im historistischen Stil arbeiten können. Wilhelm überwachte die Arbeiten engmaschig und persönlich, einen ersten Entwurf Begas für das Denkmal Wilhelm I. lehnte er ab – die Herrscherwürde schien ihm zu schwach getroffen.  Da aussagekräftiges Bildmaterial vor allem der Personen des Mittelalters fehlten, behalfen sich die Bildhauer mit zeitgenössischen Modellen – Wedigo von Plothos, Beifigur des Markgrafen Heinrich dem Kind, trägt die Physiognomie Zilles, ein Freund des für dieses Ensemble verantwortlichen Bildhauers August Kraus.        

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges blieb die Siegesallee bestehen, auch wenn die imperialistische Zeit vorbei war. Während der NS-Zeit musste sie dann allerdings weichen – sie stand den Plänen der Nord-Süd-Achse der Welthauptstadt Germania im Wege. Auf der Großen Sternallee fanden die Figuren eine neue Heimat. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Figuren stark beschädigt, vier ganz zerstört, und nach den Richtlinien des Alliierten Kontrollrates zur Beseitigung deutscher Denkmäler nach 1948 abgetragen. Einige wenige, die als zu bedeutend für die Berliner Stadtgeschichte angesehen wurden, wie das Standbild Albrecht des Bären sollten zunächst ins Märkische Museum, wurden aber letztlich in die Zitadelle Spandau verbracht. Der Rest wurde im Garten des Schloss Bellevue abgestellt und später dort vergraben, 1978 wieder ausgegraben und bis 2009 im Lapidarium in Berlin-Kreuzberg gelagert. Von dort zogen sie ebenfalls in die Zitadelle. Im April 2016 wurde dann im restaurierten Proviantmagazin diese Dauerausstellung eröffnet.

 

Jede der aus Marmor hergestellten Gruppen bestand aus einem zentralen Standbild von 2,75 Metern Höhe; jedem Herrscherdenkmal waren zwei kleinere Büsten von Personen zugeordnet, die im Leben oder in der Zeit des jeweiligen Herrschers eine relevante Rolle spielten. Angeordnet waren die Gruppen auf einem halbrunden Podest, welches von hinten von einer Sitzbank umschlossen wurde. Die beiden Nebenfiguren waren in die Sitzbank eingepasst und teilten sie in drei Abschnitte, der Herrscher stand zentral auf einem Sockel über dem dreistufigen Podestaufgang.

 

Die Rezeption bei Eröffnung war größtenteils vernichtend - die monumentale Allee wurde von vielen Berlinern als „Puppenallee“ verspottet. Aber auch die Fachwelt kritisierte die Bildhauerei als ideenlos und austauschbar verherrlichend, inhaltliche Kritik wurde an der Auswahl der Personen laut. Einige der Markgrafen hatten kaum Einfluss auf die Entwicklung der Mark, wichtige Impulsgeberinnen wie Kurfürstin Sophie-Charlotte oder die heißgeliebte Königin Luise fehlten hingegen.

Aller Kritik zum Trotz – die Siegesallee wurde ein beliebter Treffpunkt im Tiergarten. Ein Gefühl dafür wie ein Tag an der Siegesallee abgelaufen sein könnte, bekommt man im zentralen Medienraum, erbaut um und mit der Gruppe 26 des König Friedrich I., der flankiert ist von seinem Schloßbaumeister Schlüter und seinem Premierminister Danckelmann. Bedruckte Fotobahnen des heutigen Tiergartens, sowie Licht- & Klanginstallationen versetzen den Besucher zurück in einen Sommertag des Jahres 1907; 24 Stunden auf der Siegesallee komprimiert auf 20 Minuten. Ein wirklich großartiges Erlebnis.

 

Und nicht nur, dass man eine Zeitreise machen kann; anfassen ist ausdrücklich erlaubt. Viele der Figuren lassen sich also nicht nur optisch sondern auch haptisch erfassen. Begleitet wird die Schau von Medienstationen, die vertiefende Informationen zu den Epochen und Denkmälern geben und anhand von Bildern oder zeitgenössischen Texten die Entstehungsgeschichte beleuchten. Eine beeindruckende und sehr informative Ausstellung.

 

Ein Klischee ist somit auch noch widerlegt – es gibt einiges an Kunst & Kultur in Spandau zu entdecken. Es muss nicht immer die Museumsinsel oder das Kulturforum sein.     

 

Zitadelle - Am Juliusturm 64 - Spandau / 030 354 944 0 / Fr. - Mi 10:00 - 17:00 Do 13:00 - 20:00 / www.zitadelle-berlin.de / U7 Zitadelle - Bus X33 Zitadelle - S5 Spandau

 

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