Havelhöhenweg

Was wäre die Landschaft in und um Berlin ohne den großen Lenné? Den Havelhöhenweg plante dieser bereits Mitte des 19. Jahrhunderts aber es dauerte noch fast 100 Jahre bis der Weg in den 1950er Jahren angelegt wurde. Wurde er lange vernachlässigt, präsentiert er sich heute gut beschildert und ist zu jeder Jahreszeit ein schöner Ausflug aus der Stadt.

 

Beide Laufrichtungen haben ihren Reiz; meine Beschreibung verläuft von Süd nach Nord. Die 10 km vom Strandbad Wannsee bis Pichelswerder sind relativ einfach zu wandern, allerdings gibt es doch einige Steigungen zu bewältigen; viele Treppen führen auf und ab an den Abbrüchen der Havel entlang. Belohnt wird man mit phantastischen Ausblicken auf Gatow, Kladow, Spandau und natürlich die Havel. Schon Fontane besang den brandenburgischen Strom statt eines Vorwortes im dritten Band der Wanderungen durch die Mark Brandenburg:

 

Es spiegeln sich in Deinem Strome

 

Wahrzeichen, Burgen, Schlösser, Dome:

 

Der Julius-Thurm, den Märchen und Sagen

 

Bis Römerzeiten rückwärts tragen,

 

Das Schildhorn, wo, bezwungen im Streite,

 

Fürst Jazko dem Christengott sich weihte,

 

Der Harlunger Berg, deß oberste Stelle

 

Weitschauend trug unsre erste Kapelle,

 

Das Plauer Schloß, wo fröstelnd am Morgen

 

Hans Quitzow steckte, im Röhricht verborgen,

 

Die Pfaueninsel, in deren Dunkel

 

Rubinglas glühte Johannes Kunkel

 

Schloß Babelsberg und „Schlößchen Tegel

 

Nymphäen, Schwäne, blinkende Segel, –

 

Ob rothe Ziegel, ob steinernes Grau,

 

Du verklärst es, Havel, in Deinem Blau.

 

 

Wannsee bis Lindwerder

Beginnend am S-Bahnhof Nikolassee folgt man der Ausschilderung Richtung Strandbad Wannsee; ab dort weist das dreifarbige Dreieckssymbol, das den Verlauf markiert, den Weg. Vorbei an einigen alten Eichen erreicht man einen Aussichtspunkt, an dem man einen wunderbaren Blick nach Kladow, zur Insel Schwanenwerder und zur Pfaueninsel hat. Kurz darauf erreicht man dann auch Schwanenwerder. Ursprünglich Sandwerder genannt und als Viehweide genutzt, wurde die Insel 1882 mit dem Festland verbunden. Noch heute führt der Weg über die einzige Straße der Insel, die Inselstraße nach Schwanenwerder. Der Zugang vom Wasser ist nicht möglich; alles Land ist in Privatbesitz und nicht öffentlich zugänglich.

 

Und wieder begegnet uns Fontane – er erkannte als einer der ersten das Potential der Insel und schrieb bereits 1861: „Dort werden die Residenzler von Berlin ihre Villen haben“ Der Lampenfabrikant Wilhelm Wessel kaufte die Insel 1882 und parzellierte sie. Der Mythos war geboren: eine mit Villen und Einfamilienhäusern bebaute Insel. Die Unternehmer Rudolph Karstadt und Richard Monheim lebten in den 20er Jahren dort. Nach Zwangsenteignung und Vertreibung aller jüdischen Mitbürger die Nazigrößen Theo Morell - Hitlers Leibarzt, Joseph Goebbels und Albert Speer, später dann Axel Springer und der amerikanische Militärgouverneur Lucius D. Clay. Die meisten rückübertragenen Grundstücke wurden nach dem Krieg verkauft, sodass das Land Berlin nach 1950 ca. 40% der Insel in seinem Besitz hatte. Ein Jugendfreizeitheim und eine Erholungsstätte dienten den Kindern & Jugendlichen der eingeschlossen Stadt West-Berlin lange Jahre als Orte der Sommerfrische. Heute ist Schwanenwerder wieder eine der vornehmsten Wohngegenden Berlins.

 

Ein Kuriosum zum Abschluss: Als 1933 die erste deutsche Version des Spiels Monopoly erschien, war die teuerste Straße die Inselstraße - nicht die Schlossallee; daraufhin ließ Goebbels das Spiel verbieten.

 

Bergauf geht es zum Großen Fenster. Den Namen erhielt der Punkt wegen seines freien Ausblicks bis nach Spandau. Bei klarem Wetter sieht man den Rathausturm und den Kirchturm der St. Nicolai Kirche. Aber auch der Grunewaldturm rückt das erste Mal ins Bild; ein überwältigender Anblick.

 

Ein kurzes Stück folgt man bald der Havelchaussee, bevor man hinter dem Parkplatz der Badestelle Große Steinlanke wieder treppauf zum Weiten Blick gelangt. Und weit ist der Blick in der Tat: über Schwanenwerder und Pfaueninsel bis nach Potsdam; auch der Fernmeldeturm auf dem Schäferberg ist gut zu erkennen. In stetem auf und ab passiert man oberhalb die Kleine Steinlanke und die Insel Lindwerder, ein beliebtes Ausflugsziel. Mit einer Glocke ruft man noch heute die Personenfähre, die einen in wenigen Minuten übersetzt. Die Insel kann über einen Uferweg leicht zu Fuß umrundet werden. Das Restaurant hat von April bis Oktober geöffnet.

 

 

Lindwerder bis Grunewaldturm

Immer wieder öffnen sich Sichtachsen, laden Bänke zum Verweilen ein. Berlin ist so nah und doch unheimlich fern und der Grunewald und die Havel wirken an manchen Stellen als hätte man sich nach Kanada verirrt. Und trotz der Nähe zur an Sommerwochenenden stark befahrenen Havelchaussee kann man hier in ein schönes Stück Natur eintauchen.      

 

Am Parkplatz der Lieper Bucht überquert man wieder die Havelchaussee. Die Badestelle ist ein beliebter Treff- und Sammelpunkt für Enten, Blesshühner und äußerst zutraulichen Schwänen. Vor allem die Schwäne wittern bei jeder Handbewegung Futter – man sollte nicht ängstlich sein.     

 

Die nächsten ca. 1,5 km läuft man am Ufer der Havel entlang. Badebuchten, die nur im Herbst und Winter einsam sind, wechseln sich mit geschützten Nistplätzen für Wasservögel ab. Immer wieder öffnen sich schöne Blicke über die Havel, den Gatower Forst und Lindwerder. 

 

Am Abzweig zum Grunewaldturm lohnt es sich, den Höhenweg kurzzeitig zu verlassen und den kurzen Aufstieg zum Karlsberg zu machen. 1897 regte Ernst von Stubenrauch, Landrat des Kreises Teltow und Vater des Teltowkanals, in Memoriam zum hundertsten Geburtstag des 1888 verstorbenen preußischen Königs und Deutschen Kaisers Wilhelm I. an, ein Ehrenmal zu errichten. Beauftragt wurde Franz Schwechten, der einen Aussichtsturm entwarf, der im März 1897 die Genehmigung von Kaiser Wilhelm II. erhielt und zwei Jahre später vollendet war; am 9. Juni 1899 wurde der Bau schließlich eingeweiht.

 

Der 55 Meter hohe Turm aus rotem Backstein ist im Stil der märkischen Backsteingotik gehalten. Auf einer vier Meter hohen Plattform, zu der eine doppelläufige Freitreppe führt, öffnet sich eine Gedenkhalle mit einem Standbild des ersten deutschen Kaisers, geschaffen vom Bildhauer Ludwig Manzel. An den Wänden finden sich vier Gusseiserne Reliefplatten mit den Abbildungen der Generäle Roon und Moltke, des Reichskanzlers Bismarck und des Neffen des Kaisers, Friedrich-Karl von Preußen.

 

Über der Gedenkhalle beginnt der eigentliche, quadratische Turm. Nach 204 Stufen erreicht man eine überdachte Plattform und hat von dort einen phänomenalen Ausblick. Im Osten Berlin mit Funkturm, Fernsehturm und der Abhöranlage auf dem Teufelsberg, im Norden Spandau, im Westen Gatow, Kladow und Sacrow und im Süden der Wannsee, der Düppeler Forst und Potsdam. Der Eintritt kostet 3 EUR; gut investiertes Geld.

 

 

Villa Lemm und Schildhorn

Kurz folgt man der Havelchaussee bis an der Bushaltestelle Waldhaus der Havelhöhenweg wieder erreicht wird. An der Badestelle Kuhhorn kommt auf der Gatower Seite der Havel die Villa Lemm in den Blick.

 

In den Jahren 1907 und 1908 ließ sich der Schuhputzmittelfabrikant Otto Lemm eine Villa im englischen Landhausstil vom Berliner Architekten Max Werner erbauen. Die Gartenanlage wurde auf großzügigen 24.000 Quadratmeter angelegt und bis 1913 um eine, von italienischen Villengärten inspirierte, Terrassenanlage im Stil der Neorenaissance ergänzt. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Villa ohne Beschädigung und diente von 1945 bis 1990 als Residenz des britischen Stadtkommandanten in Berlin. Nach der Wiedervereinigung und dem Ende der alliierten Kontrollhoheit wurde die Villa von der Stadt Berlin erworben, stand danach aber mehrere Jahre leer. Kurzzeitig war sie als Berlin Residenz des Bundeskanzlers im Gespräch, wurde aber schließlich 1995 von einem Unternehmer erworben und befindet sich seither wieder in Privatbesitz.

 

Am Schildhorn bietet sich eine weitere Schleife zum Jaczo Denkmal an. Der Sage nach versuchte der Slawenfürst Jaczo von Köpenick 1157 nach einer vernichtenden Niederlage in einer Schlacht bei Spandau vor dem Askanier Alfred dem Bären, Gründer der Mark Brandenburg, zu Pferde über die Havel zu fliehen. Kurz vor dem Erreichen des rettenden Ufers drohte er zu ertrinken. Da sein slawischer Gott sein Gebet um Rettung nicht erhörte, rief er in seiner Verzweiflung den christlichen Gott an und schwor, sich zum Christentum zu bekennen, sollte er überleben. Der gütige Vater der Christen erbarmte sich seiner und Jaczo gelangte an das Ufer der Landzunge. Er hängte seinen Schild und sein Horn in einen Baum und gab so der Halbinsel ihren Namen.

 

1841 bestellte Friedrich-Wilhelm IV. bei Stüler einen Entwurf zur Errichtung eines Monumentes an dieser Stelle. Allerdings missfielen die Entwürfe dem König, so dass er höchst selbst zum Bleistift griff und seine Ideen von Stüler nur noch leicht modifiziert wurden, bis das Denkmal im Sommer 1845 errichtet wurde. Allerdings war schon bei den Zeitgenossen die Rezeption der Gedenksäule alles andere als positiv. Lassen wir wieder Fontane zu Wort kommen, der 1860 in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Teil1, wie folgt notierte:

 

   „Die Landzunge trägt an ihrer] vordersten Spitze […] ein grauschwarzes, wunderliches Bildwerk […], das halb an Telegraphenpfosten, halb an Fabrikschornsteine mahnt […]. Es wäre ausreichend gewesen, auf hoher griechischer Säule einen Schild aufzurichten und diesen Schild mit einem Kreuz von mäßiger Größe zu krönen. Das würde … «den Sieg des Kreuzes über das Heidentum» […] in aller Klarheit dargestellt haben. Archäologischer Übereifer […] hat seinen Sieg auf Kosten des guten Geschmacks gefeiert. Man hat den Stamm einer alten knorrigen Eiche in Sandstein nachgebildet und dadurch eine ohnehin schwer verständliche Figur geschaffen; der inmitten des Stammes aufgehängte Schild aber, der wie eine Scheibe an einem Pfosten klebt, schafft, aus der Ferne gesehen, vollends eine durchaus unklare und räthselhafte Figur.“ (Quelle Wikipedia)

 

 

Scharfe Lanke und Pichelswerder

Wofür das Schildhorn im Kaiserreich aber besonders berühmt war, war das Amüsement. Mit der Eröffnung der Wannseebahn und des Haltepunktes Bahnhof Grunewald war das Schildhorn von Berlin aus plötzlich leicht zu erreichen. Eine relativ kurze Wanderung durch den Wald und die Ausflügler waren an der Havel angelangt. Das Wirtshaus am Schildhorn wurde 1881 errichtet und zog an Sommertagen tausende Berliner an. Das unter Denkmalschutz stehende Wirtshaus ist noch heute in Betrieb; von der Terrasse hat man einen schönen Blick auf die Jürgenlanke und die dahinter liegende Halbinsel.    

 

Weiter geht es an der Havel entlang; langsam kommen Scharfe Lanke und die Halbinsel Pichelswerder in den Blick. An der Einmündung des Postfenn liegt das Restaurantschiff Alte Liebe; seit Jahrzehnten am selben Standort, am Ausgang des Stößensees. Viele Berliner, vor allem der etwas älteren Generation, verbinden romantische Erinnerungen mit diesem Ort. Serviert wird solide Hausmannskost und bei Sonnenuntergang wird die Havel in der Tat für Momente zum emotionalen Glückshafen.

 

Das letzte Stück des Höhenweges führt vorbei an Segel- und Ruderklubs, am gegenüberliegenden Hochufer am Rupenhorn erkennt man mehrere denkmalgeschützte Villen und Gartenanlagen. Das Landhaus am Rupenhorn kann nach vorheriger Anmeldung freitags besichtigt werden. Ein Meisterwerk des Neuen Bauens, dem im Laufe seiner Geschichte viele Wunden zugefügt wurden; seit 2004 erstrahlt es wieder in altem – neuen Glanz.

 

An der Stößenseebrücke nimmt man entweder die Treppe zur Heerstraße oder man läuft die Havelchaussee noch bis zum Ende, um über die Angerburger Allee hinauf zum S-Bahnhof Pichelsberg zu gelangen. Alternativ bietet sich an der Bushaltestelle Am Postfenn der Bus zurück zum S-Bahnhof Nikolassee an. Denn an Sonntagen kann man dank der BVG eine kleine Zeitreise unternehmen: auf der Linie 218 werden Retro Busse eingesetzt. Eine angenehme Fahrt entlang der Havelchaussee im Stile eines anderen Jahrhunderts und ein schöner Ausklang dieser eindrucksvollen Wanderung.

 

Havelhöhenweg – Grunewald / S1–S7 Nikolassee – S3-S9 Pichelsberg – Bus 218 Am Postfenn oder Wannseebadweg; der Bus fährt bis 25. März nur SA & SO. Länge der Wanderung ohne Schleifen ca. 10km / festes Schuhwerk empfohlen.

 

Einkehrmöglichkeiten: Wannseeterrassen / Gaststätte Insel Lindwerder / Restaurant Grunewaldturm / Waldhaus am Grunewaldturm / Wirtshaus Schildhorn / Seehotel Grunewald / Restaurantschiff Alte Liebe – Öffnungszeiten variieren je nach Wochentag und Saison.

 

 Wegbeschreibung: https://www.berlin.de/senuvk/forsten/waldspaziergang/havelhoehenweg/index.shtml

 

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