Wo ick wohne? Wie alle feine Leite, Berlin W. hinten mit en Ding‘! –?? – Na Mensch, vastehste nich, Berlin Wedding!“- Hans Ostwaldt - Herausgeber der Lieder aus dem Rinnstein, Chronist der unteren Klassen des kaiserlichen Berlins.

Vom Anfang des Wedding

Fein war er nie der Wedding, auch wenn er im vornehmen Westen von Berlin liegt. Bereits im Januar 1861 eingemeindet entwickelte sich das Gebiet Ende des 19. Jahrhunderts zu einem dicht bebauten und besiedelten Arbeiterbezirk. AEG, Osram und Rotaprint bauten hier ihre Fabriken und die Arbeiter zogen, wie damals üblich, in die unmittelbare Nachbarschaft. Der Meyers Hof in der heute zu Mitte gehörenden Ackerstraße, im Krieg stark zerstört und der Rest 1972 gesprengt, galten als abschreckendes Beispiel für extrem komprimierte und spekulative Bebauung – die sogenannte Mietskaserne. 275 Wohnungen, 5 Hinterhöfe, nur auf jedem zweiten Hof Toilettenhäuser; die Armut und die Verwahrlosung waren immens. Innerhalb von knapp 40 Jahren stieg die Bevölkerungszahl von Wedding und Gesundbrunnen bis 1910 von knapp 17.000 auf über 240.000 Menschen.

 

Zur Zeit der Weimarer Republik bekam der Wedding den Beinamen „Rot“; denn hier entwickelte sich eine Hochburg der Arbeiterparteien, neben der Roten Insel in Schöneberg und Neukölln. Als am 1. Mai 1929 die Berliner Kommunisten trotz Demonstrationsverbotes auf die Straße gingen und sich ihnen 13.000 Polizisten entgegenstellten, kam es berlinweit zu mehrtägigen gewaltsamen Auseinandersetzungen, dem sogennanten Blutmai. Am Ende standen 32 tote Berliner, mehr als doppelt so viele teils schwerst verletzt. Ein Gedenkstein an der Wiesen- Ecke Uferstraße erinnert heute an diese Tage.

Vom Dritten Reich bis Heute

Bei der Wahl zum Reichstag 1933 bekam die NSDAP im Wedding die wenigsten Stimmen aller Berliner Bezirke - 25,9%, während die KPD stärkste Kraft wurde mit 39,2%. Lange Zeit traute sich die SA nur in Mannschaftsstärke in den Bezirk. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bezirk schwer beschädigt; die Schul-, See- und Badstraße waren beim Kampf um Berlin 1945 tagelang die Hauptkampflinie und zum Ende des Krieges waren rund ein Drittel der Gebäude zerstört oder schwer beschädigt.

 

Nach dem Krieg gehörte der Wedding zur französischen Besatzungszone. Durch den Bau der Mauer lag der Bezirk direkt an der Grenze,  abgeschnitten von seinen Nachbarn. Der Rest der Industrie, der sich im Westen des geteilten Berlins noch halten konnte, wurde zunehmend abgewickelt, die Arbeiter verloren ihre Anstellungen und der Wedding stieg immer weiter ab. Ab Anfang der 1970er Jahre siedelten sich viele sogenannte Gastarbeiter und ihre Familien im Wedding an, aber auch Studenten und Aussteiger. Wohnraum war billig und leicht zu bekommen. Heute ist der Wedding geprägt vom hohen Migrantenanteil aber auch ein Schmelztiegel der Kulturen - was nicht immer problemlos verläuft aber zu interessanten Begegnungen verhilft. Der Wedding ist, wie man sagt, sozial schwach und einige Gegenden gehören sicherlich zu den Brennpunktvierteln, in denen sich die Schattenseiten versäumter Integration und falsch verstandener Toleranz zeigen. Manchem unserer Volksvertreter würde man wünschen vorbeizuschauen, um zu lernen was man besser machen kann aber auch was gutes Quartiersmanagement bewirken kann; es muss halt finanziert werden.  

 

Seit Jahren ist der Wedding im Kommen, aber noch ist es nicht soweit und so hat sich der Bezirk und seine Kieze eine Authentizität bewahrt, die es in Berlin immer seltener gibt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Juliane Gassert (Donnerstag, 27 April 2017 21:33)

    Es ist auch gut, dass es noch Bezirke gibt, die nicht durchsaniert und "aufgeräumt" sind.
    Ich habe fast zehn Jahre dort gewohnt und es hat mich oft "geerdet".
    Schön, dass Charlotte auch die verborgenen Schätze des Kiez aufzeigt.

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