Friedhof der Märzgefallenen

Angrenzend an den idyllischen Volkspark Friedrichshain befindet sich der Friedhof der Märzgefallenen der Revolution von 1848, auf dem Ende 1918 ebenfalls die ersten gefallenen Revolutionäre des Novemberaufstandes beerdigt wurden.

 

Im März 1848 schlug ein Bestattungskomitee vor, auf der höchsten Erhebung des Parkgeländes Friedrichshain, dem Lindenberg, einen gemeinschaftlichen Friedhof für die Opfer der Revolution vom 16. bis 19. März 1848 zu errichten. Ursprünglich war von den Stadtverordneten und dem Magistrat der Stadt Berlin geplant, dort sowohl die zivilen Opfer als auch die gefallenen Soldaten gemeinschaftlich zu begraben. Man kann sich vorstellen wie wenig wohlwollend dieser Entschluss bei den Berliner Bürgern aufgenommen wurde. Das Militär, wie so oft in Preußens Geschichte, schuf dann allerdings die Fakten, in dem es die Leichen der Soldaten schlicht nicht zur Beerdigung freigab. Sie wurden stattdessen auf dem Invalidenfriedhof beerdigt. 

 

Am 22. März 1848 begleiteten bis zu 20.000 Berliner den Trauerzug vom Deutschen Dom zum Volkspark, um 183 Opfern der Barrikadenkämpfe die letzte Ehre zu erweisen. Schon am 19. März hatte man den König gezwungen an den Särgen der Verstorbenen entlangzulaufen – ein ungeheurer Vorgang für die Royalisten. Und auch am 22. März musste er diese - für ihn wohl schwer demütigende - Geste wiederholen; als der Trauerzug am Stadtschloss vorbeizog, zog der König auf dem Balkon seinen Helm und neigte sein Haupt. So wenig Preußen sollte es für lange Zeit selten wieder geben.

 

Und noch eine weitere bemerkenswerte Tatsache ereignete sich an diesem Tag: ein evangelischer Pfarrer, ein katholischer Kaplan und ein jüdischer Rabbiner hielten nach dem Trauergottesdienst auf dem Gendarmenmarkt eine gemeinsame Weihrede. Die erste interreligiöse Interaktion der drei damals in Berlin vertretenen Glaubensrichtungen. 

 

Zeitzeugen zufolge war die Stadt in ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer gehüllt, den Farben der Revolution - nicht den Farben Preußens. Abgesandte Trauergäste aus anderen deutschen Städten, Sympathisanten aus Polen und Italien unter ihren National- und Freiheitsfarben nahmen ebenso an dem Trauermarsch teil wie weite Teile des Bürgertums. Man wollte seine Solidarität mit der neuen Zeit bekunden. In der nachrevolutionären Zeit blieb es aber vielmals nur bei den Bekundungen. 

 

Bis Juni 1848 wurden auf dem Friedhof 255 Revolutionsopfer beigesetzt. Ursprünglich war geplant, an diesem Platz und in der Stadtmitte mit Denkmälern die weit über Berlin hinausreichende Bedeutung der Revolution zu würdigen. Allerdings wurde nicht eines davon errichtet, obwohl Sympathisanten aus allen Teilen Deutschlands und der Welt für die  Berliner Revolutionsopfer und deren Familien sowie für ein sie ehrendes Denkmal gespendet hatten. Denn, die preußische Verwaltung konfiszierte kurzerhand das Geld auf Grund der Tatsache, das das Komitee zur Errichtung des Denkmals von den Behörden nicht genehmigt worden war. Wo es abgeblieben ist, ist bis heute nicht abschließend geklärt.  

 

Der Friedhof der Märzgefallenen war von Anfang an aber nicht nur Gedenkort für die Toten. Bereits am 04. Juni 1848 begründeten annähernd 100.000 Berliner mit einem Gedenkzug vom Spittelmarkt bis zum Märzgefallenenfriedhof das politische Gedenken und das Erinnern an die Demokratiebewegung aber auch die Mahnung an den König und seine Regierung, die Errungenschaften der Revolution, wie z.B. die Abschaffung der Zensur, nicht wieder rückgängig zu machen. Wer Bismarcks verbitterte Worte über die Revolution und was sie angeblich aus Deutschland gemacht habe, gelesen hat, kann die Wachsamkeit der Revolutionäre nur allzu gut nachvollziehen.

 

 

Die Regierung versuchte ab 1849 den Friedhof unzugänglich zu machen, um zukünftige Demonstrationszüge zu diesem symbolträchtigen Ort zu verhindern. Sukzessive wurden alle Eingänge entfernt und es gab sogar Pläne einen Bahnhof auf dem Gelände zu bauen, was allerdings nie realisiert wurde. Verhindert werden konnte allerdings nicht, dass sich an jedem Jahrestag Tausende einfanden, um der Revolution und den Opfern zu gedenken. Zum 25., zum 50. und folgenden Jahrestagen der Märzrevolution fanden am Gedenkort Massenkundgebungen für politische Freiheiten, für demokratische und soziale Grundrechte und die Volkssouveränität statt.

 

Am 22. März 1908, zur 60-Jahr Feier verabschiedete die SPD die Märzresolution auf dem Friedhof: ihre Forderung nach allgemeinen, freien, geheimen und direkten Wahlen. Es sollte noch 10 Jahre und eine weitere Revolution dauern, bis ihre Forderung durchgesetzt wurde.

 

Im November und Dezember 1918 wurden während dreier Trauerfeiern die ersten Gefallenen der Novemberrevolution auf dem Friedhof der Märzgefallenen beerdigt. Die 1918er Revolution schlug also nicht nur symbolisch einen Bogen zu den Protesten von 1848. Der Berliner Magistrat verweigerte allerdings nach Dezember 1918 weitere Bestattungen und so mussten die 31 Toten des Spartakistenaufstandes, unter ihnen Karl Liebknecht, auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde beerdigt werden.

 

Die Bronzefigur des "Roten Matrosen" des Bildhauers Hans Kies mit nach unten hängendem Gewehrlauf erinnert an die Arbeiter, Soldaten und Matrosen, die im November und Dezember 1918, für den Kampf um die Republik und dem Mandat, dass "Alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht" mit dem Leben bezahlten.

 

Zum 100. Jahrestag, am 18. März 1948, wurde der Beschluss der 1848er Stadtverordneten erfüllt, am Beisetzungsort einen Gedenkstein für die Revolutionsopfer 1848/1918 einzuweihen. Seine Gedenkzeile beginnt mit den Worten "Das Denkmal habt ihr selber Euch errichtet". Auf der Rückseite finden sich 29 Namen von Verstorbenen. Der Friedhof wurde im Zuge dieser Maßnahme komplett umgestaltet. Die Grabreihen wurden beseitigt und nur noch um den zentralen Platz sind an den Mauern Grabsteine oder Erinnerungsstelen zu finden.   

 

In einem Seecontainer direkt neben dem Friedhof informiert die Dauerausstellung "Am Grundstein der Demokratie" über die Märzrevolution von 1848 sowohl in Berlin aber auch über die revolutionären Erhebungen in anderen Teilen Europas weit vor 1848. Denn ohne die Dynamiken, die durch das Hambacher Fest 1832, die Aufstände in Frankreich 1830 und 1832, das Risorgimento in Italien und schließlich der Abdankung des – verhassten – Metternichs am 13. März 1848 freigesetzt wurden, hätte es diese Revolution so nie gegeben. Die Schau befasst sich aber auch mit den nach-revolutionären Entwicklungen und der Frage nach der Erfüllung der Forderungen der Aufständischen bis heute. 

 

Im September 2018 wurde anlässlich der beginnenden Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Revolution von 1918/19 eine neue Dauerausstellung auf sieben Stelen gegenüber des Containers eröffnet. Begleitet wird dieses Gedenken von unterschiedlichen Veranstaltungen rund um das Gedenkdatum 09. November.

 

Der Namensgeber der Straße übrigens, an dem der Friedhof liegt – Ernst Zinna – war ein Schlosserlehrling, der 17-jährig in der Märzrevolution 1848 sein Leben ließ. Nur mit einem Säbel seines Großvaters bewaffnet stürzte er sich auf die Barrikaden und stemmte sich einem preußischen Batallion entgegen. In der DDR wurde ihm als mutiger Figur für Widerstand und gegen Unterdrückung gedacht; einige Schulen waren nach ihm benannt sowie ein Preis der jährlich an Künstler und Erfinder verliehen wurde.

 

In den unruhiger werdenden politischen Zeiten, in denen wir zu leben scheinen, ein guter Ort um sich zu vergegenwärtigen wie kostbar Demokratie ist und wie blutig sie erreicht werden musste.   

 

Ernst-Zinna-Weg 1 – Friedrichshain / Do-Di 10:00 – 18:00 – Mai bis Oktober auch Mi   / Tram M5/M6/M8 Platz der Vereinten Nationen – Bus 142 Platz der Vereinten Nationen – U5 Strausberger Platz

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