Vom Anfang Lichtenbergs - zehn Dörfer werden ein Bezirk

Lichtenberg ist kein gewachsener Bezirk, sondern besteht aus zehn völlig heterogenen Ortsteilen – Alt Lichtenberg, Friedrichsfelde, Karlshorst, Rummelsburg und Fennpfuhl gehörten bis zur Bezirksfusion 2001 zum vormals eigenständigen Stadtbezirk Lichtenberg; die Ortsteile Alt-Hohenschönhausen, Neu-Hohenschönhausen, Wartenberg, Falkenberg und Malchow bildeten von 1985 bis 2001 den Bezirk Hohenschönhausen.

 

Die ältesten Orte sind Alt-Hohenschönhausen, Malchow, Wartenberg und Falkenberg, die alle im Zuge der Christianisierung Brandenburgs etwa um 1250 entstanden. Alt-Lichtenberg wurde gegen 1288 gegründet, erste urkundliche Erwähnung von Friedrichsfelde war gegen 1699. Rummelsburg erhielt um 1775 seinen Namen durch den Weinhändler Rummel, der am See ein Ausflugslokal betrieb; aber erst mit dem Bau der Victoriastadt zwischen 1872-1875 begann in diesem Gebiet eine wirkliche Besiedlung und es siedelte sich Industrie an so z.B. AGFA oder Knorr-Bremse. Ebenfalls in Rummelsburg wurde im Kaiserreich ein zentrales Arbeitshaus errichtet, welches bis zur Wende als Gefängnis der schlimmsten Art weiterbetrieben wurde; eine Dauerausstellung unter freiem Himmel erinnert an die leidvolle Geschichte dieses Ortes. 

Kaiserreich und Zweiter Weltkrieg

1881 wurde der Zentralfriedhof in Friedrichsfelde - angelegt als sogenannter Parkfriedhof - als Armenfriedhof eröffnet. Der Entwurf stammte vom Berliner Stadtgartendirektor Herrmann Mächtig. Wegen der ansprechenden Gestaltung wählten ab Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend auch wohlhabende Bürger den Friedhof als Bestattungsort. Berühmt ist der Friedhof heute allerdings für seine Verbindung zur  politischen Linken in Deutschland. Gründungsmitglieder und ehemalige Führer der sozialdemokratischen und kommunistischen Bewegung fanden hier ihre letzte Ruhe. Im vorderen Teil des Friedhofs liegen die bekannten Sozialdemokraten Paul Singer, Hugo Haase und Theodor Leipart  begraben. Hier findet sich auch die 1951 eingeweihte "Gedenkstätte der Sozialisten". Die Stele aus Porphyr im Mittelpunkt der Anlage, die von einer Ringmauer begrenzt wird, trägt die Inschrift: „Die Toten mahnen uns“. Zwölf Steinplatten, auf denen die Namen großer Arbeiterführer eingraviert sind, unter anderem Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann, Rudolf Breitscheid und Franz Mehring, liegen im Kreis am Fuße der Stele. Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar findet hier die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration statt. Auf der rechten Seite der Ringmauer befinden sich die Urnenstätten von Politikern der ehemaligen DDR, die Grabplatten der Dichter und Schriftsteller Erich Weinert, Friedrich Wolf und Willi Bredel sind daneben angebracht.

 

1893 begann man eine Villenkolonie am Oranke- und Obersee in Nachbarschaft des Rittergutes Hohenschönhausen zu bauen; 1894 eröffnete die Pferderennbahn in Karlshorst, die ab 1895 die Gründung der Villenkolonie "Carlshorst" nach sich zog. 1932-33 baute Mies-van-der-Rohe für den Berliner Karl Lemke, Besitzer einer Graphischen Kunstanstalt und Druckerei, ein Haus am Obersee; sein letzter Auftrag in Berlin.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurden vor allem die Fabrikanlagen in Rummelsburg und große Teile von Alt-Lichtenberg zerstört. Im Offizierskasino der ehemaligen Festungspionierschule in Karlshorst unterzeichneten am 8. Mai 1945 die Generäle Keitel, von Friedeburg und Stumpf die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht; heute befindet sich hier das Deutsch-Russische Museum. Am darauffolgenden Tag  wurde die Sowjetische Militäradministration (SMAD) ins Leben gerufen und Karlshorst zur „geschlossenen Stadt" erklärt. Viele Botschaften befanden sich hier zu DDR-Zeiten und Karlshorst war bevorzugter Wohnort vieler ausländischer Diplomaten. Die russischen Besatzungskräfte zentrierten sich ebenfalls hier.  

Lichtenberg zu DDR Zeiten

Im November 1945 wurde ein weiterer militärischer Sperrbezirk an Ober- und Orankesee eingerichtet. Teile der politischen Führung Ostdeutschlands wurden hier heimisch, der Bereich war bis zur Wende abgeschirmt und auf den Stadtplänen Ost-Berlins als weißer Fleck eingezeichnet. Hier lebten hohe Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit - MfS - denen die Villen aufgrund ihrer Verdienste um Staat und Partei zugesprochen wurden; häufig wurden dafür natürlich die ursprünglichen Besitzer enteignet - da war man auch im Sozialismus nicht zimperlich. Der Sohn Erich Mielkes lebte hier, der Leiter der Kommerziellen Koordinierung (KoKo) Alexander Schalck-Golodkowski und auch Mielke selbst hatte ein Gästehaus am Obersee. Der ehemalige Fahrer Erich Honeckers  wurde ebenfalls für seinen Einsatz mit einer Villa direkt am See belohnt und terrorisierte später jahrelang die Nachbarn mit seinem unflätigen Benehmen.  

 

Ebenfalls in Hohenschönhausen errichtete die Rote Armee 1945 auf dem ehemaligen Gelände einer Großküche der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt ein sowjetisches Speziallager. Nach der Schließung dieses Lagers im Oktober 1946 entstand im Keller des Gebäudes das zentrale sowjetische Untersuchungsgefängnis der DDR. 1951 übernahm das MfS dann das Gefängnis und nutzte es bis 1989 als zentrale Untersuchungshaftanstalt. Tausende politisch Verfolgte waren hier unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert, darunter fast alle prominenten DDR-Oppositionellen. Heute befindet sich hier die Gedenkstätte Hohenschönhausen; eine Besichtigung ist nur im Rahmen einer Führung möglich. Wie kaum ein anderer Ort in Deutschland steht das Stasi-Gefängnis für die Geschichte der politischen Verfolgung in der DDR.

 

1955 wurde der Tierpark Friedrichsfelde eröffnet. Da der Zoologische Garten im Westteil Berlins lag und die DDR Führung im Osten der Stadt der Bevölkerung einen eigenen Tierpark bieten wollte, wurde der Park des Schloss Friedrichsfelde gewählt - nach der Enteignung der Eigentümer war dieser ohnehin nicht mehr gepflegt worden. Mit 160 Hektar ist er einer der größten Landschaftstiergärten Europas und bietet neben den zahlreichen Tiergehegen auch eine beeindruckende Sammlung von über 100 Skulpturen, Plastiken und Brunnen.

Plattenbau und Heute

Um der Wohnungsnot Herr zu werden, begann man ab 1970 mit dem Bau - der heute berüchtigten - Plattenbausiedlungen, die dem Bezirk seit Nachwendezeiten seinen, oft nicht berechtigten Stempel aufgedrückt haben. Fennpfuhl wurde zwischen 1970-1982 auf Garten- und Brachland als Großsiedlung gebaut, ab 1975 wurden die  Wohngebiete I und II in der Umgebung der Landsberger Allee und der Hauptstraße, an der Degnerstraße und an der Rhinstraße in Hohenschönhausen errichtet. 1983 war dann Baustart für Hohenschönhausen-Nord und ein weiteres Neubaugebiet an der Barther Straße. Es ist nicht wegzudiskutieren, das die sozialen Herausforderungen in manchen Siedlungen enorm sind, aber Pauschalisierungen über die politischen Einstellungen der Bewohner sind ebensowenig angebracht wie Verharmlosungen und eine Verklärung der Vergangenheit. Es würde allerdings schon helfen, wenn das Land Berlin nicht immer weitere Sparrunden verabschieden würde und so immer mehr soziale Projekte vor das finanzielle Aus stellte.  

 

Vietnamesische Vertragsarbeiter siedelten sich zu DDR-Zeiten ebenfalls in Lichtenberg an. Nach der Wiedervereinigung, als ein Großteil von ihnen arbeitslos wurde, machten sich viele als Händler selbständig. Im Laufe der Zeit wurde von Ihnen ein Großhandelsmarkt gegründet, das Dong Xuan Center, um sich den Weg zum Großmarkt in Polen zu ersparen. Vorbild und Namensgeber war der Dong Xuan Markt in Hanoi, der größte und älteste Markt der vietnamesischen Hauptstadt. Heute ist das Center der Mittelpunkt des vietnamesischen Lebens in Berlin und entwickelt sich auch mehr und mehr zum Foodie Hotspot für alle die authentische vietnamesische Küche suchen.

 

Eine gemeinsame Geschichte hat der Bezirk kaum. Es gibt wunderschöne Ecken in Friedrichsfelde, Alt-Hohenschönhausen und Karlshorst und Gegenden zum Weglaufen in Hohenschönhausen oder Fennpfuhl. Seit der Wende hat sich vor allem Rummelsburg stark verändert. Die Wasserstadt gegenüber der Halbinsel Stralau hat sich zu einem bevorzugten Wohnort für Familien entwickelt. Andere Ortsteile wirken abgehängt und weisen schwierige soziale Strukturen auf. Einige nette Kieze haben sich entwickelt wie die Victoriastadt, auch Kaskelkiez genannt, und in den Industriebrachen lebt nach wie vor die Subkultur und die Partyszene. In der Kaskelstraße hat sich mit BLO Ateliers ein Projekt – und Wohnraum für Künstler etabliert, die sich die Stadtmitte nicht mehr leisten können. Ebenso in der Hertzbergstraße, wo in der ehemaligen Fahrbereitschaft des DDR Ministerrates, ein Zentrum für Künstler und Handwerker entstanden ist und wo sich auch die private Sammlung Haubrok eingemietet hat.

 

Der zweite und dritte Blick lohnt sich in Lichtenberg unbedingt.     

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