Museum Reinickendorf

Direkt am Dorfanger gegenüber der Dorfkirche von 1500 liegt die ehemalige Gemeindeschule von Hermsdorf. In dem 1899 erbauten Gebäude befindet sich seit 1990 das Museum Reinickendorf. Bevor Sie hineingehen – der Pilaster auf der Grünfläche lohnt in Augenschein genommen zu werden. Einst zierten die Löwenfiguren das Portal des Deutschen Kolonialhauses in der Lützowstraße in Tiergarten. Von der reichen Verzierung dieses Gebäudes sind nur noch diese beiden übrig geblieben.  

 

In den unterschiedlichen Räumen des Museums wird einerseits ein genereller zeitlicher Bogen von 8000 v. Christus, mit Funden aus dem Tegeler Fließ, bis in das 20. Jahrhundert gespannt, andererseits befassen sich unterschiedliche Themenräume spezifisch mit der Entwicklung der sechs Dörfer, die den heutigen Bezirk Reinickendorf ausmachen.

 

Neben der Landwirtschaft prägten im 19. Jahrhundert Handwerker das Leben in einem Dorf und so kann man im Erdgeschoß einen Einblick in eine Zimmermannswerkstatt, den Werkraum eines Schuhmachers, eine Buchbinderei, eine kleine Sattlerwerkstatt und eine Schmiede bekommen. Im Untergeschoß gibt es eine historische Wasch- und Arbeiterküche zu bestaunen. Was für ein anstrengendes Leben unsere Vorfahren doch hatten.

 

Andere Räume setzen sich thematisch mit der Försterei, einer langen und wichtigen Tradition in so einem waldreichen Bezirk, auseinander oder dem Trend „Raus ins Grüne“, der Ende des 19. Jahrhunderts begann und Stätten für das Wochenendvergnügen vor den Toren Berlins entstehen ließ. Das berühmte Ausflugslokal Waldschlößchen hatte eine bengalische Grotte, einen künstlichen Wasserfall, einen Aussichtsturm und Tanzsäle für 7.000 Personen! Und wer hat ihn noch nicht gehört den Spruch „ Mit Kind und Kegel ab nach Tegel“ – bis zu 30.000 Ausflügler zogen pro Wochenende nach Tegel, dem durch den Standort am gleichnamigen See eine Sonderstellung für das Amüsement zufiel. Ebenfalls sehr sehenswert ist der Biedermeier Raum – so könnte es bei Humboldts im Schloss Tegel ausgesehen haben.

 

Ein weiterer Raum widmet sich dem 20. Jahrhundert – von der Ansiedlung der Firma Borsig und weiterer Industriebetriebe über Weimarer Republik, NS-Zeit, Zweiter Weltkrieg, dem Bau der Mauer bis zum Mauerfall und natürlich der Entwicklung der Beziehungen mit den Franzosen, die als Besatzer kamen und als Freunde gingen. Der Eisengießer und der Schmied, die einem in diesem Raum empfangen, sind übrigens die Originale aus dem Borsigtor, die aus konservatorischen Gründen hier ein Zuhause gefunden haben. Besonders eindrucksvoll sind die Dokumente zum Dritten Reich; allein die Anzahl an Zwangsarbeiterlagern nur im Bezirk Reinickendorf – wie konnte das niemandem auffallen wollen?    

 

Da wir uns in einem ehemaligen Schulgebäude befinden darf natürlich ein historisches Klassenzimmer nicht fehlen. Allerdings nahm man es mit der Schulpflicht auf den Dörfern nicht so genau – im Sommer fiel die Schule aus, weil die Kinder auf den Bauernhöfen helfen mussten und auch der Lehrer seine Felder und Beete bestellen musste; schlecht bezahlt war ein Dorflehrer und nur so konnte er seinen Unterhalt einigermaßen sichern.  

 

Das Historische Kinderzimmer zeigt altes Spielzeug und lädt die Kinder von heute zum Spielen damit ein. Von der alten Knopfschachtel zu Strickpuppen, vom Dosentelefon zur Strickliesel können die Kinder Spielsachen ausprobieren, mit denen ihre Großeltern und Urgroßeltern gespielt haben. Ganz analog und es ist eine Freude zu sehen, wie die Kinder das annehmen.

 

Berühmte Bewohner der Ortsteile werden ebenfalls gewürdigt – natürlich die Humboldts aus Tegel und dank der Tatsache, dass Max Beckmann von 1906-1914 in Hermsdorf wohnte, hängen im Treppenhaus dann eben auch ganz unauffällig drei Frühwerke des Meisters.

 

Originalmöbel, Bücher und Bilder stellen das Arbeitszimmer von Wladimir Lindenberg nach, der ab 1943 bis zu seinem Tod, in Heiligensee lebte. Lindenberg war als Philosoph, Schriftsteller, Künstler, vor allem aber als Arzt weit über Berlin hinaus bekannt.

 

Eine weitere Künstlerin von Weltruhm war 40 Jahre in Heiligensee zu Hause: Hannah Höch. Ihr zu Ehren gibt es seit November 2019 im Kabinett des Museums den Hannah-Höch-Raum, in dem ihre Werke sowie Objekte und Zeugnisse aus ihrem Nachlass Einblicke in ihre Lebenswelt geben.

 

Auf der Freifläche hinter dem Museum findet sich der Nachbau eines Germanischen Gehöfts mit Wohn- und Stallhaus, Spinnhaus und Speicher; dieser nimmt Bezug zu einer germanischen Siedlung, die man unweit des Museums gefunden hat. Im Lapidarium werden Figuren und Plastiken, die aus dem öffentlichen Raum verschwunden sind, ausgestellt wie zum Beispiel der Neptun, der einst mit einem Pendant die Belle-Alliance-Brücke – heute Hallesche Brücke – zierte oder ein Putto Fragment, welches ursprünglich ein Fassadenelement des Ephraim-Palais war.

 

Über die Freifläche erreicht man ebenfalls die GalerieETAGE, die zu den Kommunalen Galerien gehört. Schwerpunkt sind auch hier, wie bei allen KGB, Ausstellungen mit Werken von Künstlern, die im Bezirk leben oder einen regionalen Bezug zu ihm haben. 

 

Als Auftakt für weitere Ausstellungen, die sich auf die Schaffung Groß-Berlins 1920 fokussieren, präsentiert das Museum bis Ende März in der GalerieETAGE ausgewählte Schätze aus den hauseigenen fotografischen Sammlungen. „Arbeit und Vergnügen“ heißt der erste Teil. Der zweite Teil „Landschaft und Architektur“ wird dann ab Herbst 2020 zu sehen sein. Die historischen Aufnahmen zeigen Motive aus den ehemaligen Stadt- und Landgemeinden sowie Gutsbezirken, die den heutigen Berliner Bezirk Reinickendorf bilden. 

 

Machen Sie den Ausflug raus ins Grüne. Bei gutem Wetter lohnt sich im Anschluss ein Spaziergang durchs Tegeler Fließtal oder Sie flanieren ein bisschen durch Hermsdorf - einer schönen „Landhauskolonie” mit Ein- und Mehrfamilienhäusern älterer Bauart, teilweise auch mit Villen, in der zeitweilig auch Erich Kästner lebte.  

 

Alt-Hermsdorf 35 - Hermsdorf / 030 404 4062 / So – Fr 09:00 – 17:00 / www.museum-reinickendorf.de /  S1 Hermsdorf – Bus 220 Almutstraße

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