Friedhöfe Liesenstraße

Die Liesenstraße ist eine jener – wenigen - Berliner Straßen, in denen man heute noch die Wunden, die die Teilung der Stadt hinterlassen hat, erfassen kann; in der man aber auch sieht, wie die wachsende Stadt dem kulturellen Erbe und den verbliebenen Freiflächen immer näher kommt.  

 

Die Friedhöfe an der Liesenstraße wurden in den Jahren 1830 bis 1840 als Ausweichfriedhöfe vor den Toren Berlins angelegt. Den Anfang machte die Domgemeinde; die ursprüngliche Begräbnisstelle auf dem heutigen Alexanderplatz war voll und man wich hierhin aus. 1834 folgte die St. Hedwigs-Gemeinde – man hatte dem späteren Namensgeber der Straße, dem Kneipenbesitzer Karl Adolph Liesen, das Grundstück abgekauft. 1835 wurde der Französische Friedhof II zwischen den beiden bestehenden Friedhöfen angelegt und schließlich 1840 der Dorotheenstädtische Friedhof II auf der Nordseite der Straße.

 

Zu Mauerzeiten lag nur der Dorotheenstädtische Friedhof auf dem Gebiet West-Berlins. Die anderen drei Friedhöfe wurden teilweise eingeebnet bzw. wurden die Gräber abgeräumt um Platz für den Todesstreifen zu schaffen. Dadurch gingen die Grabstätten vieler bedeutender Persönlichkeiten verloren. Aber nicht nur die Abräumung im Grenzteil, auch durch den Grenzbetrieb gab es starke Zerstörungen und nach der Wende dann durch Vandalismus und Souvenirjäger bzw. Mauerspechte.

 

Betritt man die südlich liegenden Friedhöfe, ist der Mauerverlauf bis heute unübersehbar: eine kahle Schneise verläuft zwischen Liesenstraße und den ersten Gräbern. Im westlichen Teil des Friedhofs der St.-Hedwigs-Gemeinde steht noch heute ein kurzer Abschnitt der Hinterlandmauer.

 

Zu DDR Zeiten waren die Friedhöfe nur über einen kleinen, versteckten Seiteneingang in der Wöhlerstraße zugänglich. Bis 1985 war es nur Angehörigen der dort liegenden Verstorbenen gestattet, die Friedhöfe überhaupt zu betreten. Bis 1989 musste man dann einen Passierschein beantragen, um das Gelände besuchen zu dürfen. An dem der S-Bahn angrenzenden Areal ist heute noch ein Wachturm zu finden; die West-Berliner S-Bahn fuhr hier durch das Territorium Ost-Berlins.   

 

Domfriedhof I

 

Der mit einem Hektar kleinste Friedhof an der Liesenstraße verfügt über eine große Kapelle von E. Schwartzkopff, die 1896 gebaut und 1992 vollständig renoviert wurde. Außerdem beherbergt er das alte Kuppelkreuz des Berliner Doms, welches bei der Renovierung 2006 abmontiert und durch ein neues ersetzt worden war. An den Mauern, die den Friedhof an drei Seiten eingrenzen, befinden sich historische Wandgrabstellen. Und hier rücken auch die Neubauten an der Wöhlert- & Chausseestraße dem Friedhof sehr nahe. Memento mori – wer hier wohnt kann es wohl kaum vergessen, wenn er aus dem Fenster blickt.  

 

Heute noch berühmte Persönlichkeiten, die hier ihre letzten Ruhestätten fanden sind der Erfinder unterschiedlicher Stenographie Methoden Max Bäckler und Heinrich August Wilhelm Stolze.  

 

Friedhof I der St.-Hedwigs-Gemeinde

 

Der Eingang wird gesäumt von zwei marmornen, knienden Engeln von Josef Limburg. Ursprünglich waren diese für einen  Soldatenfriedhof für Gefallene des Ersten Weltkrieges im französischen Colonfay bestimmt, kamen aber dort nie zum Einsatz, sondern landeten – warum auch immer – im Stadtschloss. Als dieses gesprengt wurde, parkten die DDR Verantwortlichen die beiden Statuen kurzerhand auf dem Friedhof. Hier stehen sie ehrlich gesagt sehr passend. Limburg, 1955 gestorben, liegt gleich in der Nähe begraben; seine Nähe zu den Nationalsozialisten hat ihn heute dem Vergessen anheim fallen lassen.      

 

Die Friedhofskapelle ist dem historisierenden Stil der italienischen Renaissance nachempfundenen, mit Schmuck aus Terrakottaformsteinen und einem Kupferdach, 1987 originalgetreu wiederhergestellt. Auf diesem Friedhof finden sich die meisten Gräber bedeutender – auch heute noch bekannter – Persönlichkeiten. Hotelgründer Lorenz Adlon und dessen erste Frau Susanne; Daniel Liszt, der jüngste Sohn von Franz Liszt und Marie’Agoult, Matthias Bauer, Wiener Cafétier, der 1877 Unter den Linden ein Caféhaus eröffnete, Carl Josef Begas, Maler und Vater des großen Bildhauers Reinhold Begas und James Cloppenburg, der 1901 in Berlin die erste Filiale des Düsseldorfer Warenhauses eröffnet hatte, welches sein Vater ein Jahr zuvor mit Johann Theodor Peek gegründet hatte.     

 

Der Friedhof ist der älteste noch existierende katholische Friedhof in Berlin und ist heute ein Gartendenkmal.

 

Französischer Friedhof II

 

Der Friedhof wird von einer Hauptallee gegliedert, in deren Zentrum ein Ehrenmal an die gefallenen Mitglieder der Gemeinde in den Kriegen von 1864, 1866 und 1870/1871 erinnert, eine Gedenkplatte erinnert zudem an die Toten aus dem Ersten Weltkrieg. Die vermutlich bekannteste Grabstelle auf diesem Friedhof ist aber natürlich die von Theodor Fontane und seiner Frau Emilie. Das Grab wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und später wieder neu angelegt, wobei statt der ehemals vorhandenen schlichten Fußsteine ein Grabstein aus schwarzem Granit aufgestellt wurde. Nach 1990 wurde die Grabstätte zweimal neu gestaltet, zuletzt 2012 nach historischen Fotografien wieder mit zwei kleinen rundbogigen Granitstelen und einer Eisenpfosten-Ketten-Einfassung. Weitere bekannte Persönlichkeiten sind der Fotograf Will McBride und der Schriftsteller Peter Hacks.

 

Dorotheenstädtischer Friedhof II

 

Durch den Mauerbau wurde der Friedhof von seiner Gemeinde abgeschnitten; die befreundete Friedrichswerdersche Gemeinde, die an den Friedhöfen Bergmannstraße ihre Begräbnisstelle hatte, übernahm Pflege und Führung des Areals.  Der „West-Friedhof“ ist auch als Zirkus Friedhof bekannt; denn die Zirkusgründerfamilien Busch, Renz und Schumann liegen hier bestattet. Aber auch der Begründer des Café Kranzler, der königliche Hofkonditor Johann Georg Kranzler, liegt hier; im imposanten Mausoleum des Kaufhausbesitzers Hertzog hingegen wurde nie jemand beigesetzt.

 

Liesenstraße 6-9 – Mitte / U6 Schwartzkopffstraße – Bus 247 GartenXFeldstraße

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gustav Sucher (Dienstag, 02 Oktober 2018 11:17)

    Schaufeln sie das Grab eigentlich nach der Beisetzung komplett von Hand zu, oder kommt ein kleiner Bagger und erledigt den Rest? Ich habe mich immer schon gefragt, wie das auf den verschiedenen Friedhöfen gemacht wird. Danke für den super Blog Beitrag! http://www.steinbock-bestattungen.de/bilder-beisetzungen-2018

  • #2

    Charlotte@fortsetzungberlin (Mittwoch, 03 Oktober 2018 18:50)

    Hallo Gustav, gute Frage - ich glaube mit einem kleinen Bagger. Danke für den tollen Kommentar.

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